IndependentWHO

«Entgegen ihrer Aufgabe schützt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht die Menschen, die Opfer radioaktiver Kontamination wurden.»

Die Bedeutung des WHO/IAEO-Abkommens für die Abhängigkeit der Weltgesundheits-organisation von der Nuklearindustrie.

 
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterzeichnete am 28. Mai 1959 mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) die Vereinbarung “WHA12-40″.

Bei der Gründung unseres Kollektivs und über mehrere Jahre hinweg war die Kündigung dieses Abkommens ein zentrales Element unserer Forderungen. In der Tat haben wir diese Vereinbarung als Hauptgrund dafür angesehen, dass die WHO ihre Aufgaben hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen von Radioaktivität nicht erfüllen kann. Dieses Abkommen war jedoch auch immer Gegenstand vieler Debatten, Überlegungen, Ansätze, Erkenntnisse innerhalb der Gruppe und die folgenden Zeilen erklären, warum wir jetzt nicht mehr die Revision dieses Abkommens fordern und dass wir von diesem Abkommen nicht mehr sagen können, es hindere die WHO daran, ihren Auftrag gegenüber den Opfern von Radioaktivität zu erfüllen.
Wir wollen auf den Text des Abkommens zurückzukommen, vor allem die Stelle, die wir kritisiert haben:
“Die Internationale Atomenergiebehörde und die Weltgesundheitsorganisation stimmen darin überein, dass sie innerhalb des allgemeinen Rahmens der Charta der Vereinten Nationen in enger Zusammenarbeit miteinander handeln und sich regelmäßig in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse konsultieren werden, um die Verwirklichung der in ihren jeweiligen Verfassungen festgelegten Ziele zu erreichen.”
“Wenn eine der Parteien vorschlägt, ein Programm in einem Bereich durchzuführen, der für die andere Partei von großem Interesse ist oder sein könnte, konsultiert die erste Partei die zweite, um die Angelegenheit im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln.”
Was aber antwortet die WHO, wenn man sie nach der Bedeutung dieses Abkommens für ihre Unabhängigkeit fragt? Im Februar 2001 lesen wir auf der WHO-Webseite:
“Diese Selbstverpflichtung bedeutet keineswegs die Unterwerfung einer Organisation unter die Autorität der anderen, was ja die jeweilige Unabhängigkeit und Verantwortung im Rahmen der entsprechenden verfassungsmäßigen Aufgaben in Frage stellen würde.”

In der Tat heißt es in Punkt 2 von Artikel 1 dieses Abkommens “… Die Weltgesundheitsorganisation anerkennt, dass es in erster Linie Aufgabe der Internationalen Atomenergie-Organisation ist, Forschung, Entwicklung und praktische Nutzung der Atomenergie für friedliche Zwecke weltweit zu ermutigen, zu fördern und zu koordinieren”, dass dies aber zu geschehen hat “unbeschadet des Rechts der Weltgesundheitsorganisation, sich um die Förderung, Entwicklung, Unterstützung und Koordinierung internationaler Gesundheitsmaßnahmen einschließlich der Forschung in allen Aspekten dieser Aufgabe zu bemühen”.
Der letzte Teil dieses Satzes erlaubt es der WHO theoretisch, ihren in der Verfassung festgelegten Auftrag zu erfüllen, wie er insbesondere in Artikel 1 definiert ist: “Der Zweck der Weltgesundheitsorganisation besteht darin, allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen.“ Beispielhaft handelt es sich hier um einen juristischen Text, der, wie so oft, alle möglichen Interpretationen zulässt. Sehen wir uns daher die Praxis an und wie die WHO seit ihrer Gründung mit den gesundheitlichen Problemen im Zusammenhang mit Radioaktivität umgegangen ist.

Ob bei der Tschernobyl-Katastrophe oder dann im Fall Fukushima wie auch bei allem, was mit Atomkraft zu tun hat, immer zeigen uns die Fakten, dass die WHO beim Strahlenschutz jegliche Handlungsautonomie vermissen lässt. Es kann klar festgestellt werden, dass sie ihre Mission aufgegeben hat. Sie ist ganz generell aktiv an Fehlinformationen über Atomkraft beteiligt und lässt die Opfer von Radioaktivität im Stich. Richard Horton, Chefredakteur der medizinischen Zeitschrift “The Lancet”, bestätigt: “Wenn es um Tschernobyl oder Fukushima und die Gefahr einer radioaktiven Kontamination geht, wurde vielleicht nicht die ganze Wahrheit gesagt. Und die WHO hat die Verantwortung, diese Wahrheit herauszufinden, wie unangenehm sie für die Mitgliedstaaten oder die mit ihr verbundenen Behörden auch sein mag.”(The Lancet – Band 383 – 21. Juni 2014).

Es bleibt anzumerken, dass dieses Abkommen die enge Verbindung festlegt zwischen einer Organisation, die für die Gesundheitsförderung zuständig ist, und einer anderen Organisation, die für die Entwicklung der zivilen Kernenergie zuständig ist: Es ist daher legitim, von einem Interessenkonflikt zu sprechen. Und um es noch deutlicher zu sagen: Es ist auch legitim, die Entscheidung der UNO, der IAEO eine “kommerzielle” Rolle zuzusprechen, die es keinesfalls bei irgendeiner ihrer Behörden geben sollte, als Skandal zu bezeichnen … und dies umso mehr als die Behörden ermutigt werden, zusammenzuarbeiten. Es ist daher verständlich, dass die Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Organisationen über den Wortlaut des Abkommens hinaus problematisch ist.
Aber wie bereits weiter oben erwähnt, ist die Antwort, wann immer die WHO oder die Regierungen zu dieser Vereinbarung mit der IAEO befragt werden, die gleiche und stellt klar, dass dies keinerlei Einschränkung der Arbeit der WHO bedeutet. Unsere Bemühungen haben zu den immer gleichen Antworten und damit in die Sackgasse einer endlosen Debatte geführt, welche die Sache, die uns am Herzen liegt, nicht voran bringt. Deshalb haben wir beschlossen, nicht weiter für die Revision des Abkommens zu kämpfen und zu unserem Hauptanliegen zurückzukehren, nämlich dem Schicksal der Radioaktivitätsopfer, indem wir die WHO auffordern, die Wahrheit über die Gefahren der Kernenergie zu erforschen und den Opfern gemäß ihrer Verfassung zu helfen. Was wir von der WHO verlangen, ist, dass sie ihre Arbeit in völliger Unabhängigkeit durchführt, wie es in Artikel 37 ihrer Verfassung steht:

In der Ausübung ihrer Pflichten sollen der Generaldirektor und das Personal von keiner Regierung oder Behörde außerhalb der Organisation Weisungen einholen oder entgegennehmen. Sie sollen sich jeder Tätigkeit, die ihrer Stellung als internationale Beamte Abbruch tun könnte, enthalten. Jeder Mitgliedstaat der Organisation verpflichtet sich seinerseits, die ausschließlich internationale Stellung des Generaldirektors und des Personals zu achten und jeden Versuch der Beeinflussung zu unterlassen.

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